IT-Consulting: Eine (Un-)Zufriedenheitsstudie der Beratungsbranche

Autoren:

Felix Piazolo, Univ.-Doz. Mag. Dr. rer. soc. oec.
Jörg Dötsch, Dr. rer. pol.

 

IT Consulting-Markt: Wachstum der (Un-) Zufriedenheit?

Aktuelle Daten zum deutschsprachigen Consulting-Markt sowie im Speziellen im Bereich IT-Implementierungs- und IT-Strategie-Beratung sind rar gesät. Die meisten Studien beziehen sich fast ausschließlich auf Deutschland. Dies erscheint durchaus nachvollziehbar nachdem dieser Markt bzgl. Größe, Diversität und Wettbewerb als der relevanteste im deutschen Sprachraum und in Europa angesehen werden kann.[1] Für den einzelnen Kunden ist dies ggf. zwar vorteilhaft (bessere Vergleichbarkeit, größere Beratungsvielfalt, ausgeprägte Konkurrenzsituation etc.) jedoch ergibt sich aus der Marktkomplexität und der zur Verfügung stehenden Informationsflut auch eine Herausforderung bzgl. der adäquaten Auswahl des zu beauftragenden Dienstleistungsunternehmens bzw. Produktanbieters. Um mit komplexen Umgebungsparametern besser umgehen zu können, bietet sich die Zusammenarbeit mit Evaluierungsdienstleistern, um zum Beispiel aus der Neutralität und den individuellen Gesichtspunkten des Kunden herauszufinden, welcher IT-Implementierungspartner für die Einführung einer neuen „Enterprise System“-Lösung der geeignetste ist, entsprechend an. Dabei ist festzuhalten, dass das Vorgehen der strukturieren Auswahl von IT-Dienstleistern insbesondere in der Enterprise Resource Planning (ERP) und Business Intelligence (BI) Beratung sowie bei komplexen Softwareentwicklungsprojekten praktikabel und sinnvoll erscheint.

Die gesamte IT-Beratungsbranche stellt den Marktstudien des Medienunternehmens Progressive Digital Media plc zufolge bereits 35,0% aller Beratungsdienstleistungen in Deutschland dar. Dieser prozentuelle Anteil blieb zwar im 2-Jahresvergleich (2012 vs. 2014) lediglich stabil, wobei aber von einem stetigen jährlichen Marktwachstum von 4,7% bis 2019 ausgegangen wird, was einer Marktwachstumsverlangsamung gleichkommt (statt ursprünglich prognostizierten 8,0% jährlich bis 2017).[2] Grundsätzlich sind die verfügbaren Marktdaten mit Vorsicht zu interpretieren, da die Methoden der Datenerhebung häufig wenig transparent und nachvollziehbar dargestellt werden. Dennoch kann festgehalten werden, dass in den letzten Jahren der Beratungsmarkt in Deutschland auf Basis unterschiedlicher Quellen beständig gewachsen ist und laut dem Bundesverband Deutscher Unternehmensberater e.V. (BDU) im Jahr 2014 bereits über 15.000 Beratungsunternehmen, mit mehr als 150.000 MitarbeiterInnen und einem Umsatz aus Beratungsdienstleistungen von ca. 25,2 Milliarden Euro repräsentiert. Das Wachstum liegt nach BDU bei 7,4% für 2015.[3]

Bei dieser Marktrelevanz und diesen Größenordnungen stellt sich die Frage, inwieweit die Kunden der Beratungsdienstleister – in der vorliegenden Kurzstudie am Beispiel der IT-Implementierungs- und IT-Strategieberatung – Zufrieden mit den Leistungen der Auftragnehmer sind. Selbstverständlich geht es aus Sicht des einzelnen Auftraggebers primär um die individuelle Zufriedenheit mit dem jeweiligen primären IT-Implementierungs- und IT-Strategie-Beratungsdienstleiter, dennoch soll untersucht werden, ob die Zufriedenheit im Allgemeinen überhaupt gegeben ist und wie valide diese Ergebnisse erscheinen. Auf Basis der vorliegenden Kurzstudie sollen in Zukunft weitere vertiefende Zufriedenheitsstudien im Themengebiet Consulting entwickelt und in unterschiedlichen Regionen und Ländern durchgeführt werden.

 

Verfahren zur Zufriedenheitsmessung

Neben komplexen Messmethoden zur Zufriedenheitsanalyse hat sich insbesondere der sogenannte Net Promoter Score (NPS)[4] zur Messung einer zentralen Dimension der Kundenzufriedenheit – der Weiterempfehlung – anhand einer einzelnen Frage durchgesetzt. Im angloamerikanischen Raum konnte bereits ein empirisch belegbarer Zusammenhang mit dem Unternehmenswachstum auf Basis des NPS belegt werden. Die Vorteile des NPS liegen in der einfachen und periodisch durchführbaren Umsetzung. Zwar handelt es sich um eine starke Abstraktion der Bewertung der Kundenzufriedenheit und die Validität konnte bis dato nur in einzelnen Branchen und Ländern nachgewiesen werden, jedoch konnten in vorgelagerte Untersuchungen zu dieser Kurzstudie auf Basis mehrere Kundenzufriedenheitsanalysen aus Sicht einzelner Unternehmen nachgewiesen werden, dass die Methode nicht nur effizient sondern auch effektiv die Kundenzufriedenheit im Allgemeinen abbildet.

Der NPS basiert auf folgender, der Branche angepassten, Frage: „Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie das (zuvor bewertete) Beratungsunternehmen Ihren Kollegen weiterempfehlen werden?“

Die Bewertung erfolgt auf einer Skala von 0 (unwahrscheinlich) bis 10 (äußerst wahrscheinlich). Bewertungsergebnisse zwischen 0 und 6 stellen Kritiker bzw. „unhappy customers“ dar. Als Indifferente („passives“) werden Ergebnisangaben 7 und 8 angesehen. Promoter („loyal enthusiasts“) sind lediglich die Bewertungen 9 und 10. Die Berechnung des NPS ergibt sich aus folgender einfachen Formel: ((Promoter / n) * 100) – ((Kritiker / n) * 100). Ergebnisse > 0 werden als positiv angesehen, Werte von > 50 als exzellent.

Die vorliegende Kurzstudie untersucht insbesondere inwieweit die klassischen relevanten Fragestellungen zur Kundenzufriedenheit im Vergleich mit dem Ergebnis des NPS deckungsgleiche Erkenntnisse liefern. Falls es zu unterschiedlichen bzw. streng widersprüchlichen Erkenntnissen kommen sollte, ergeben sich aus der Studie zwei Fragen: Ist der Einsatz des NPS als Bewertung der Zufriedenheit mit einer Branche sinnvoll? Spiegeln die klassischen Fragestellungen zur Kundenzufriedenheit die Realität wider? Die zweite Frage führt im weiteren Gedankengang dazu, die potentiell guten Bewertungen der Zufriedenheit mit IT-Beratungsdienstleistern in Frage zu stellen. Beide dargestellten Fragen können durch die vorliegende Methode und die vorliegenden Datensätze aus Österreich nicht beantwortet werden und verlangen weitere größer angelegte Untersuchungen mit qualitativen als auch quantitativen Untersuchungsmethoden.

Ergebnisauszug der Kurzstudie

Im Mai und Juni 2015 wurden vom Institut für Strategisches Management, Marketing und Tourismus der Universität Innsbruck und vom Lehrstuhl für Betriebswirtschaft der Andrássy Universität Budapest im Rahmen einer E-Mail-Aussendung an knapp 9.000 zufällig ausgewählte Unternehmen in Österreich (ausgenommen wurden lediglich Beratungsunternehmen) Führungskräfte eingeladen an einer Studie zur Messung der Zufriedenheit mit Beratungsunternehmen in den Themenbereichen IT-Implementierung und IT-Strategie teilzunehmen. Es wurden keine Erinnerungsnachrichten ausgesendet und keine spezifischen Unternehmensdaten eingefordert. Insgesamt haben 164 Unternehmen den Fragebogen ganz oder teilweise beantwortet. Abgeschlossen wurde der Fragebogen von 142 TeilnehmerInnen. Folgend werden deskriptiv die Ergebnisse von 7 der 18 Fragen vorgestellt. Es wurden bzgl. der angebotenen Dienstleistungen und der Produkte je 3 Dimensionen der Zufriedenheit abgefragt: Qualität, Preis-Leistungs-Verhältnis und Innovationskraft.[5] Zusätzlich wurde der NPS gebildet, wobei festgehalten werden sollte, das der NPS in dieser Form als Zufriedenheit mit einer bestimmten Branche zu bewerten ist, da von den TeilnehmerInnen unterschiedliche IT-Consulting-Unternehmen beurteilt wurden.

Die drei wesentlichen Erkenntnisse der Kurzstudie:

  • Die Bewertung klassischer Fragestellungen zur Zufriedenheit mit dem wichtigsten IT-Berater scheint durchaus positiv bis sehr positiv zu sein. Erwähnenswert ist das auffallend positive Ergebnis zur Qualität der angebotenen Produkte (86,84% zufrieden und sehr zufrieden).
  • Durchgängig werden die angebotenen Produkte besser bewertet als die angebotenen Dienstleistungen. Insbesondere das Preis-Leistungsverhältnis der Produkte wird positiver bewertet.
  • Im Gegensatz zu den klassischen Fragestellungen ist der NPS mit -6,04 negativ zu interpretieren. Es scheint demnach keine positive Bewertung der Kundenzufriedenheit innerhalb der gesamten Branche zu geben – zumindest nicht in einer Form, dass sich daraus ein Marktwachstum auf Basis der Kundenzufriedenheit interpretieren lassen würde.

Die Ergebnisse der Kurzstudie sollen einen ersten Gedankenanstoß geben, sich intensiver mit den Hintergründen des seit Jahren wachsenden IT-Consulting-Markt zu beschäftigen, welcher auf Basis der momentanen Kundenzufriedenheit nicht begründet werden kann. Dies sollte entsprechend von den IT-Consultings ebenfalls hinterfragt werden. Ein langfristiges Wachstum wird in einer Sättigungsphase der Branche nur durch eine hohe Kundenzufriedenheit erreicht werden können.

 

Literatur:

1 MarketLine (2015): „Management & Marketing Consultancy in Germany“, London.
2 MarketLine (2015): „Management & Marketing Consultancy in Germany“, London; MarketLine (2013): „Management & Marketing Consultancy in Germany“, London.
3 Bundesverband Deutscher Unternehmensberater e.V. (04.11.2015): http://www.bdu.de/wie-wir-sie-unterstuetzen/wie-wir-unternehmen-unterstuetzen/unsere-branche/.
4 Reichheld, F./Markey, R. (2011): The Ultimate Question 2.0 – How Net Promoter Companies Thrive in a Customer-Driven World, Harvard Business Review Press, Watertown.
5 Hinweise zur verwendeten 4-stufigen Skala: 1 = „sehr zufrieden“, 2 = „zufrieden“, 3 = „weniger zufrieden“ und 4 = „unzufrieden“.

 

[1] Vgl. MarketLine 2015, S. 10

[2] Vgl. MarketLine 2015, S. 9-11; MarketLine 2013, S. 9-11

[3] Vgl. BDU 2015

[4] Vgl. Bain & Company / Satmatrix / Fred Reichheld

[5] Hinweis: 4-stufige Skala: „sehr zufrieden“, „zufrieden“, „weniger zufrieden“ und „unzufrieden“

 


Autoren:

Felix Piazolo, Univ.-Doz. Mag. Dr. rer. soc. oec.
Leiter der Professur für Betriebswirtschaftslehre an der Andrássy Universität Budapest und Senior Researcher am Institut für Strategisches Management, Marketing und Tourismus an der Universität Innsbruck.

Jörg Dötsch, Dr. rer. pol.
Oberassistent und wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften an der Andrássy Universität Budapest.

 

Den Fachartikel können Sie hier herunterladen.

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