Projektkommunikation: Der unsichtbare Erfolgsmotor für ERP-Projekte

Autoren:
Lea Ebner, BA 
Mag. Johannes Keckeis

 

„Man kann nicht nicht kommunizieren“ (Watzlack 1969)

Wie alle Projekte müssen auch ERP-Projekte „in time“ „in budget“ und „in scope“ abgeschlossen werden um als erfolgreich zu gelten. Dies gilt derzeit wahrscheinlich für nur 30% der ERP-Projekte.

Der Großteil der gescheiterten Einführungsprojekte von Enterprise-Systems ist auf nicht-technische Gründe zurückzuführen. Mangelnde Kommunikation und auch unzureichende Kommunikations-Fähigkeiten der Projektleitung und/oder Beteiligten sind Hauptursachen für das Scheitern von Projekten.

Häufig wird bei Projekten die Aufmerksamkeit auf projektbezogene Inhalte wie bspw. Spezifische Projektinhalte, Budgetvorgaben, den Go Live Termin sowie die Wahl des passenden Enterprise Systems oder Implementierungspartners gerichtet. Dabei werden aber die wichtigsten Akteure, nämlich Menschen, häufig vergessen. Denn letztendlich sind es Menschen, die einerseits das Projekt planen, umsetzen aber auch andererseits von Veränderungen betroffen sind.  Entsprechend sollten deren Bedürfnisse durch eine gezielte Kommunikation adäquat berücksichtigt werden. Eine effektive Kommunikation ist daher der Schlüssel, die beteiligten Personen zu motivieren und den Projekterfolg sicherzustellen. Ein Enterprise Systems Projekt ist kein IT-Projekt, sondern ein Organisations-Projekt. Dieser Umstand muss von Anfang an beachtet und klar kommuniziert werden. Somit ist es für den Projekterfolg unabdingbar, dass durch die Geschäftsführung die Wichtigkeit und Tragweite des Projekts erkannt sowie die notwendige Unterstützung dem Projektteam zu Teil wird.

 

Was ist Projektkommunikation?

Projektkommunikation bezeichnet den strukturierten Informationsaustausch innerhalb einer Projektorganisation sowie die projektbezogene Kommunikation zwischen Projektteam und Stakeholdern. Sie dient der zielgruppenspezifischen Information über Ziele, Fortschritte und Verantwortlichkeiten innerhalb eines Projektes. Projektkommunikation ist jegliche Interaktion zwischen Projektleiter:innen, Projektteam, Key-User:innen, Auftraggeber:innen, Berater:innen, Implementierungspartner und allen weiteren Stakeholdern.

 

Welche drei wesentlichen Aufgaben hat die Projektkommunikation?

  • Information sorgt dafür, dass alle Beteiligten über Anlass, Ziele, Fortschritte, Entscheidungen und Planabweichungen des Projekts informiert werden.
  • Akzeptanz baut Ängste und Widerstände ab und erhöht die und Motivation der Beteiligten.
  • Koordination stellt sicher, dass alle Projektbeteiligten ihre Handlungen auf den Projekterfolg ausrichten, indem Anforderungen, Meinungen und Ziele abgestimmt werden.

 

Zusätzlich verfolgt die Projektkommunikation mehrere Ziele, darunter die Festlegung und Überwachung von Kommunikationskanälen und -standards, die Entwicklung von Kommunikationskonzepten für verschiedene Stakeholder, und die kontinuierliche Statusprüfung. Sie sorgt für eine klare Abgrenzung von Aufgaben und Verantwortlichkeiten, vermeidet Redundanzen und optimiert die Projektabwicklung, während sie auch den Kommunikationsbedarf der Stakeholder ermittelt und direkte Beteiligungsmöglichkeiten schafft.

 

Wieso ist Kommunikation in Enterprise Systems-Projekten wichtig?

Der regelmäßige Austausch bspw. innerhalb des Unternehmens, innerhalb des Projektteams oder mit externen Partnern wie dem Implementierungspartner spielt eine zentrale Rolle für den Erfolg von ES-Projekten. Eine stringente, adäquate sowie kontinuierliche Kommunikation ist zwingend erforderlich, um einen reibungslosen Projektablauf sicherzustellen. Hierbei ist es empfehlenswert, sich des ersten Axioms der Kommunikationstheorie von Paul Watzlawick bewusst zu sein: „Man kann nicht nicht kommunizieren.“ Dies bedeutet, dass es keine echte Nicht-Kommunikation gibt. Auch wenn wir keine direkten Informationen weitergeben, senden wir automatisch Botschaften (bspw. durch Gesten, Mimik, …) aus, die auch negativ gedeutet werden könnten, sofern diese nicht den Erwartungen entsprechen.

Effektive Kommunikation hilft, Missverständnisse zu vermeiden, indem sie sicherstellt, dass alle Beteiligten stets informiert sind. Klare und regelmäßige Informationen ermöglichen , dass Teammitglieder ihre Aufgaben besser einordnen können und Stakeholder den aktuellen Projektstatus kennen. Diese Transparenz fördert die Akzeptanz und das Vertrauen in das Projekt und hilft, mögliche Herausforderungen und/oder  Probleme frühzeitig erkennen zu können und zu lösen.

Eine gute Projektkommunikation muss nicht zwangsläufig perfekt sein. Jedoch muss der Anspruch gelten, dass die Projektleitung Informationen vom Projektteam erhält, um den Projektstatus einschätzen zu können und bei möglichen Abweichungen vom Projektziel adäquat agieren oder reagieren zu können.

 

Welche internen Projektbeteiligten gibt es?

Der Erfolg eines Projekts beginnt mit der sorgfältigen Auswahl der Projektleitung und des Projektteams. Die Projektleitung spielt eine zentrale Rolle als Moderator und Koordinator in einem Projekt, der alle Aspekte des Projektes überwacht und zusammenführt. Ebenso wichtig ist die Auswahl der Key-User:innen, die direkt mit dem Implementierungspartner kommunizieren und die erhaltenen Informationen an ihre Kollegen:innen weitergeben. Häufig werden aber Teammitglieder vorschnell ausgewählt. Entsprechend sollte verstärkt auch auf deren Qualifikationen und Erfahrungen geachtet werden. Eine überstürzte Auswahl des Projektteams gefährdet einerseits den Qualitätsanspruch sowie andererseits die Einhaltung des Zeitplans. Zwischenmenschliche Beziehungen im Team können entscheidend sein.

Neben dem Projektteam sollten auch alle relevanten interne Stakeholder berücksichtigt werden. Dazu gehören neben Prozesseigner:innen und Key-User:innenn auch die betroffenen Mitarbeiter:innen, deren Arbeitsweise sich durch das Enterprise Systems-Projekt ändern kann. Um Widerstand zu minimieren, sollten Mitarbeiter:innen frühzeitig in das Projekt eingebunden werden. Ein effektives Change-Management ist sicherlich zielführend, um alle Beteiligten zu unterstützen und sicherzustellen, dass alle Personen, die Einfluss auf das Projekt haben oder von diesem betroffen sind, angemessen berücksichtigt werden.

Kommunikationsfluss der Projekt-Beteiligten Rollen in einem ES-Projekt

In jedem ES-Projekt sind neben den internen Stakeholdern auch externe Projektbeteiligte involviert. Dies können externe Berater, Implementierungspartner inkl. dessen Berater:innen etc. sein.

In Abbildung 1 zeigt die Vernetzung der verschiedenen internen (grau) und externen (rot) Rollen in einem ES-Projekt sowie Kommunikationswege. Die Projektleitung übernimmt dabei eine Schlüsselrolle, um den Austausch zwischen den internen und externen Akteuren zu steuern und die Zusammenarbeit zu fördern.

 

Was sind typische Kommunikationsprobleme in ES-Projekten?

Oft wird davon ausgegangen, dass das, was gesagt wird von den Angesprochenen auch genauso verstanden wird, wie es gemeint war. Doch die Realität zeigt häufig, dass Missverständnisse auftreten, selbst wenn keine expliziten Fragen gestellt werden. „Es wird aneinander vorbeigeredet“. In seltenen Fällen werden solche Missverständnisse meist durch die Reaktion des Gegenübers schnell sichtbar. Man hört dann oft: „So habe ich das aber nicht gemeint.“

Hier beginnen Schwierigkeiten und Missverständnisse „ihren Lauf zu nehmen“, wenn die Kommunikation nicht von vornherein präzise und klar gestaltet wird. Typische Probleme sind also zusammenfassend:

  • Unklare Anforderungen: Sind Anforderungen der Nutzer:innen nicht klar definiert oder unzureichend kommuniziert, kann dies zu Missverständnissen, Fehlparametrierungen und/oder unzureichenden Anpassungen des Systems (ES oder ERP) bis hin zu einer Rückabwicklung des Projektes führen.
  • Verständlichkeit und Prägnanz: Die Darstellung der zu kommunizierenden Inhalte ist oft nicht ausreichend präzise, verständlich und zielgruppengerecht. Informationen werden möglicherweise zu detailliert oder unstrukturiert vermittelt, was zu Missverständnissen und Verwirrung führen kann. Zudem fehlt es häufig an einer transparenten, ehrlichen und glaubwürdigen Kommunikation, wodurch die Inhalte weniger klar und nachvollziehbar werden.
  • Fehlende Stakeholder-Kommunikation: Wenn wichtige Stakeholder, wie z.B. Führungskräfte oder Endanwendende, nicht in den Kommunikationsprozess eingebunden werden, können essenzielle  Anforderungen und Feedbacks übersehen werden.
  • Ungleiche Sprache– Fachbegriffe: Die Verwendung von System- und Fachbegriffen, die nicht für alle Beteiligten verständlich sind, kann die Kommunikation erschweren und zu Missverständnissen führen.
  • Mangelnde Dokumentation: Unzureichende Dokumentation der Projektergebnisse, Änderungen und Entscheidungen kann zu Problemen führen, wenn es darum geht, den Projektfortschritt nachzuvollziehen oder Fehler zu beheben.
  • Fehlendes Feedback: Wenn es keine regelmäßigen Feedback-Schleifen gibt, um Probleme frühzeitig zu identifizieren und zu lösen, können sich kleinere Probleme zu größeren Herausforderungen entwickeln.

 

Wann ist die Projektorganisation effektiv?

Die Kommunikation im Projekt ist dann effektiv, wenn das Projektteam die Informationen im richtigen Format, zur richtigen Zeit (Projektplan) und an den richtigen Adressanten mit der beabsichtigten Wirkung übermittelt . Wichtig dabei ist auch, dass Sie keine unnötigen Informationen übermitteln, sondern als Projektleiter:in „auf den Punkt“ kommen. Ein erster wesentlicher Schritt im Projekt ist die Planung der Kommunikation durch die Projektleitung Wir empfehlen diese Aufgabe in der sogenannten „Initiierungsphase“ durchzuführen. Alle Informationsbedürfnisse der Stakeholder sollen mit der zur Verfügung stehenden Kommunikationsinfrastruktur möglich sein. Eine wesentliche Aufgabe der Projektleitung während des Projektes ist das Managen der Kommunikation. Die Projektleitung muss sicherstellen, dass alle Informationen erstellt, gesammelt, verteilt und gespeichert werden. Grundlage dazu ist der Kommunikationsplan. Eine zusätzliche Aufgabe der Projektleitung ist die Kommunikation zu überwachen und zu überprüfen, so dass alle Teammitglieder alle notwendigen Informationen erhalten und die für das Projekt relevanten Informationen erstellt werden.

 

Wie kann die Projektkommunikation verbessert werden?

Besonderes Augenmerk sollte auf die folgenden sechs Punkte gelegt werden.:

  • Kommunikationsplan: dieser bildet die Grundlage für erfolgreiche Projektkommunikation. Ziele, Inhalte und Maßnahmen sollten klar definiert, geplant und im Kommunikationsplan festgehalten
  • Zielgruppenorientierung der Information: Nicht alle Stakeholder benötigen die gleiche Informationstiefe. Während das Topmanagement oft nur Überblicksinformationen benötigt, sind Fachbereiche an detaillierteren Informationen interessiert
  • Gleiche Sprache: Zur Vermeidung von Missverständnissen sollten einheitliche Ausdrücke, Fachbegriffe und Abkürzungen verwendet werden. Unterstützend dazu kann ein Glossar für alle Projektbeteiligten erstellt werden.
  • Kommunikationskanal: Geeignete Kanäle und Formate ( online/persönlich), sollten gewählt werden, um Informationen effektiv zu übermitteln.
  • Feedback: Als Projektleitung sollte direkt Feedback vom Gesprächspartner oder der Gesprächspartnerin eingeholt werden, um sicherzustellen, dass alles verstanden wurde. Zudem sind Rückmeldungen an die Projektmitglieder zu geben. “
  • Dokumentation: Wichtige Punkte, Ziele und Maßnahmen aus Gesprächen sollten in einem Protokoll niedergeschrieben werden: Das Protokoll sollte aussagekräftig sein, so dass nicht anwesende Personen den notwendigen Informationsstand haben.

 

Summary
Kommunikation in ES-Projekten ist weit mehr ist als ein optionaler Bestandteil – sie ist der unsichtbare Motor, der den Projekterfolg maßgeblich beeinflusst.

Sorgfältige Planung, Umsetzung und Überwachung der Projektkommunikation tragen dazu bei, dass alle Beteiligten stets informiert und engagiert bleiben. Eine strukturierte und zielgerichtete Kommunikation gewährleistet, dass alle relevanten Informationen rechtzeitig an die richtigen Empfänger gelangen. Dadurch können Missverständnisse frühzeitig erkannt, Konflikte entschärft und fundierte Entscheidungen getroffen werden. Diese Herangehensweise trägt wesentlich dazu bei, Risiken frühzeitig zu identifizieren und die Akzeptanz für Veränderungen zu fördern.

Ohne eine effektive Kommunikation werden selbst gut geplante Projekte schnell ausgebremst. Deshalb muss Kommunikation in ES-Projekten als aktives Steuerungsinstrument verstanden und genutzt werden, um die verschiedenen Akteure zu verbinden und den Weg zum Erfolg zu ebnen. Nur so können die gesteckten Projektziele erreicht und nachhaltige Veränderungen im Unternehmen etabliert werden.

 

Quellen

Watzlawick, P., Beavin, J. H. & Jackson, D. D. (1969). Menschliche kommunikation : Formen, Störungen, Paradoxien. In Hans Huber eBooks. https://ci.nii.ac.jp/ncid/BB0427738X

Akkermans, H., & van Helden, K. (2002). “Vicious and virtuous cycles in ERP implementation: A case study of interrelations between critical success factors.” European Journal of Information Systems, 11(1), 35-46.

Nah, F. F.-H., Zuckweiler, K. M., & Lau, J. L.-S. (2003). “ERP implementation: Chief information officers’ perceptions of critical success factors.” International Journal of Human-Computer Interaction, 16(1), 5-22.

Dieser Fachartikel wurde im ERP Booklet 2025 veröffentlicht.

ERP Booklet 2025
Herausgeber: SIS Consulting GmbH, Innsbruck
Verlag: ADV Handelsgesellschaft m.b.H., Wien
Taschenbuch, Softcover, 148 x 210 mm
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